Mit Mut das eigene Leben in die Hand nehmen

Erfahre mehr über die Symbolarbeit in und mit der Natur und worauf es ankommt, das eigene Potential im Leben zu entfalten.

Gedanken zur Betrachtung eines Kiefernzapfens

Betrachtet man einen geöffneten Kiefernzapfen von oben, so sieht man dessen wunderbare ästhetisch anmutende Struktur. In immer größer werdenden Kreisen lagern sich die holzigen Schüppchen so aneinander, dass sich im geschlossenen Zustand des Zapfens jedes Schüppchen genau über die Lücke zwischen zwei Schüppchen des darüberliegenden Kreises legen kann. Hinter jeder kleinen Schuppe liegt ein winziger Same verborgen, der erst frei gegeben wird, wenn der Zapfen reif ist und sich mit Hilfe von Trockenheit und Wärme im Sommer öffnet.

Beim Betrachten dieser schönen Struktur – von oben und von der Seite – bemerkt das künstlerisch geschulte Auge zudem, dass der Zapfen sich nach oben hin in die Form einer Krone verjüngt. Ist das nicht ein Wunder, diese kleine Krone auf dem Zapfen zu erkennen und damit etwas ganz Offensichtliches und Wesentliches wahrzunehmen? Nämlich dies, dass Frucht und Same dieser Kiefer, dass dieser Kiefernzapfen die Kiefer zum Abschluss eines Wachstumszyklus krönt!

Der Zapfen IST die Krone der Kiefer! Jeder Wachstumszyklus, beginnend mit der Blüte, mit dem Hervorbringen neuer Nadeln, mit dem Heranreifen der Samen in den Zapfen, geprägt von der Witterung der Jahreszeiten und den Bodenbeschaffenheiten im Untergrund, schließt ab mit den reifen Samen im Zapfen.

Was erschließt sich mir aus dieser Betrachtung?

Was erschließt sich mir aus dieser Betrachtung? Die Kiefer wie jeder andere Baum und jede Pflanze entwickelt im zweiten Halbjahr in der Frucht die Krönung ihres Seins. Die Krönung selbst besteht darin, dass die Pflanze all ihre Erbinformation in den wachsenden und reifenden Samen hineingibt. Und nicht nur das: sie gibt auch all ihre Erfahrungen in Form von Informationen über Standortbedingungen wie z.B. Bodenbeschaffenheit, Witterung und Auseinandersetzung mit Schädlingen aus der Tierwelt als Informationscode in den Samen hinein.

Im Gegensatz zu einjährigen oder zweijährigen Pflanzen leben Bäume viele Jahrzehnte lang und bringen Jahr für Jahr Früchte und Samen hervor. Mit jedem Jahr sammelt ein Baum mehr Erfahrung – nennen wir es ruhig einmal Lebenserfahrung! Diese Erfahrung gibt er über seine Samen an die nächste Baumgeneration, die daraus wachsen und erwachsen wird, weiter.

Das Symbol der Krone in der Natur und im Märchen

Die Krone auf dem Kiefernzapfen steht für mich für die Krönung eines Entwicklungsweges, den ein Lebewesen (hier ein Kiefernbaum) durchlebt, durchlitten, durchgestanden, ausgehalten, aktiv gemeistert hat. Wie im Märchen der Märchenheld wird hier der Baum gekrönt d.h. er hat eine Frucht entwickelt, zur Reife gebracht und daraus einen Samen hervorgebracht, in dem bereits ein neuer Entwicklungsweg schlummert. Im Samen selbst konzentriert sich die ganze gewonnene Energie und Erfahrung des durchlebten Entwicklungsweges!

Die Krone auf dem Kiefernzapfen steht damit auch als Symbol für die Krönung und die Hochzeit, die ein Märchenheld oder eine Märchenheldin am Ende eines Märchens erlebt. Sie steht damit auch für ein gelingendes Leben, auf das der Mensch am Ende eines Entwicklungszieles oder gar am Ende seines gesamten Lebensweges zurückschauen kann.

Bleiben wir noch ein wenig bei dem Phänomen des Zapfens.

Der Zapfen ist holzig und hart wie der Baum selbst. Die einzelnen Schuppen legen sich bei Wind und Wetter eng aneinander und schützen die Samen darunter.

Ist es nicht auch so mit unserer menschlichen Psyche, die unser Kernselbst schützend umgibt? Das Kernselbst, ein Begriff aus der Selbstpsychologie des österreichisch-US-amerikanischen Arzt und Psychoanalytikers Heinz Kohut (1913-1981), ist unser wahres oder authentisches Selbst. Es ist aber auch so etwas wie unsere innere Weisheit, unsere innere Stimme. In ihm sind quasi all unsere Werte, ja alles, was unsere gesamte Persönlichkeit ausmacht, verborgen.

Sind die Witterungsbedingungen günstig, d.h. klimatisch warm und trocken, öffnet sich der Zapfen und lässt seine Samen frei. Was für die Öffnung des Zapfens günstige Witterungsbedingungen sind, sind für das Sich-Öffnen des Innersten eines Menschen liebevolle Wärme, Nähe, Offenheit und Sich-Angenommen-Fühlen durch andere Menschen.

Das Lebenswerk, Krone des Lebens

Der geöffnete Zapfen, der alle seine Samen in die Welt hinausgegeben hat sieht aus wie eine Krone, stellt symbolisch die Krönung dessen dar, was die Kiefer in einem Entwicklungszyklus angesammelt hat. Analog dazu: Der der Welt zugewandte und sich öffnende Mensch, der in seinem Leben all das, was er an Wissen und Erfahrung angereichert hat, an seine Mitmenschen, an die nachkommenden Generationen weitergeben kann, wird gekrönt durch das Gelingen seines Lebenswerkes; sein Lebenswerk ist die Krone seines Lebens!

Der holzige Kiefernzapfen, der schützend die Samen umhüllt steht für mich stellvertretend für das, was unser menschlichstes Innerstes, was unser Kernselbst, ist. Dieses Innerste ist uns heilig, es ist zart und verletzlich, es benötigt wie der Same im Zapfen Schutz vor ungünstigen und rauen äußeren (Witterung-) Bedingungen. Doch eines Tages ist der Same reif und muss aus der harten schützenden Hülle heraus; er muss auf Erdboden fallen, will er neues Leben hervorbringen, keimen und zu einem neuen Lebewesen heranwachsen.

Ohne „Stirb und Werde“ kein Leben

Der Mensch hat dieses „stirb und werde“ in seinem Leben oft, immer wieder und auf allen Ebenen, physisch wie psychisch, während seines Erdenlebens durchzustehen. Je älter wir werden, umso bewusster werden uns diese „Sterbe- und Werde-Prozesse“ im Leben. Und je nach Prägung und Erfahrung fällt es uns leichter oder schwerer, durch diese Prozesse hindurchzugehen.

Eines ist sicher: es gehört eine ordentliche Portion Mut und Vertrauen dazu und wir benötigen eine „günstige Witterung“ sprich Liebe und Wärme, um z.B. in einen neuen Lebensabschnitt hineinzugehen, etwas Vertrautes loszulassen, neue Wege zu gehen und etwas im Leben oder an sich selbst aktiv zu verändern.

Viele Menschen gleichen heute verschlossenen Kiefernzapfen. Sie sind wie letzterer ungünstigen Witterungsbedingungen ausgesetzt, ihre „Samen“ drohen einzugehen und abzusterben.
Ihr Innerstes sehnt sich nach Liebe, Wärme und Angenommen sein, es möchte, um es mit den Worten Gerald Hüthers zu sagen, das eigene Potential entfalten, sich entwickeln und gleich einem Baum frei und schön inmitten anderer Bäume unter der warmen Sonne stehen und leben.

Unsere Schattenseiten, unsere Stolpersteine

Am Entfalten der eigenen Potentiale werden wir oft auch von eigenen anerzogenen und gelernten Charaktereigenschaften, Eigenheiten und Verhaltensweisen gehindert. Diese Schattenseiten agieren wie Stolpersteine, sind uns oft nicht bewusst genug, leben eine Art Eigenleben und können damit verflixt hinderlich sein bei unseren Versuchen, ein Leben zu leben, wie wir es uns (idealerweise) vorgestellt haben. Es gilt also, die eigenen Schattenseiten aufzuspüren und bewusst wahrzunehmen. Das wäre der erste Schritt. Als nächstes ginge es darum, das, was uns unsere Schattenseiten durch ihr Da-Sein mitteilen möchten, als Botschaft und Impulse an uns selbst zu lesen. Verstehen wir diese Botschaften, geht es weiter hin zur Akzeptanz unsere Schattenseiten. Sie gehören zu uns wie das Wassermilieu zum Fisch. Doch das ist noch nicht das Ende des Bewusstseinsprozesses. Denn nun geht es darum, auch die Verantwortung für unsere Schattenseiten zu übernehmen. Wer das geschafft hat, der kann sich nicht mehr auf den eigenen Schattenseiten ausruhen und erklären, dies oder das Verhalten wäre eben so, weil …, sondern jetzt geht es darum, die Schattenseiten an die Hand zu nehmen und ihres Platzes zu verweisen. Sie gehören zwar zu einem, dürfen uns auch ihre Impulse geben, doch überwältigen lassen oder darauf ausruhen sollten wir uns nicht.

Wie nun schaffen wir es, unserer Schattenseiten bewusst zu werden, sie zu akzeptieren und sie zu bemeistern? Warum es da nicht einmal mit einem Märchen als Lehrmeister versuchen?

Das Märchen als Lehrmeister – worauf es ankommt

Die Bildsprache des Märchens beispielsweise von König Drosselbart führt uns tief in die menschliche Seelenlandschaft ein und lässt uns teilnehmen an einem inneren Drama, welches sich abspielt, ja abspielen muss, wenn man sich selbst den eigenen Gewohnheiten und Charaktereigenschaften stellt, diese bewusst wahrnimmt, akzeptiert und verantwortungsvoll in die Pflicht des eigenen Lebens an die Hand nehmen will. Das Märchen erzählt uns viel, was es mit dem Wesen des Mutes auf sich hat. Mut hat man nicht einfach so. Oder doch? Was ist eigentlich Mut? Gibt es richtigen und falschen Mut? All diese Fragen können auftauchen. Das Märchen erzählt uns viel von Übermut, von Hochmut, von Demut, um nur einige der Mut-Qualitäten zu nennen. Welcher Mut ist nun der rechte Mut?

Ich denke, dass das Märchen von König Drosselbart spannender zu lesen ist als nur als Geschichte der Zähmung einer widerspenstigen Frau oder als Geschichte eines Machos, kommt durch diese Andeutungen deutlich hervor.

Es kommt immer darauf an, welches Potential wir in einem Märchen sehen und entdecken möchten. Es kommt auf uns selber an, welches Potential wir aus uns selbst heraus entfalten möchten. Gleich dem harten Kiefernzapfen öffnet sich der verborgene Kern eines Märchens nämlich nur demjenigen, der sich unvoreingenommen, mit einer absichtslos achtsamen Haltung, mit einer Portion Neugier, mit Forschergeist, als Übender (nicht als Wissender) und mit dem Wissen, dass er weiß, das er nichts weiß, an das Märchen herangeht. Wem es sich öffnet, das kann ich versprechen, dem öffnen sich Wunder.

2 Antworten

  1. Liebe Elke,
    wie wahr und wie schön, dass wir uns immer in der Natur wiederfinden können- und auch im Märchen. Deine Gedanken zum Zapfen sind 💚👑💚

    1. Herzlichen Dank, liebe Anke! Das Symbol „Krone und Zapfen“ begleitet mich immer wieder. Jettz war es endlich reif für den entsprechenden Blogartikel. Im September wird dazu ein Onlineseminar starten – mit einem Märchen und mit Übungen in der Natur 🙂

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Nahaufnahme von Märchenexpertin Elke Fischer-Wagemann, wie sie mit einem blau gemusterten Schal vor einer gelblichen Mauer steht und in die Kamera lächelt.

Hallo, ich bin Elke Fischer-Wagemann

Als Märchen­pädagogin & Natur­therapeutin mache ich die Verbind­ung zwischen Märchen und Natur­erfahrungen erlebbar.

In meinem Blog schreibe ich über meine Märchen­expertise, Persön­liches und Natur­begeg­nungen.

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