Wintersonnwende, der Tag an dem die Sonne die geringste Mittagshöhe über dem Horizont hat. Wer die Natur draußen aufmerksam beobachtet, der bemerkt, dass die Tage im Dezember immer kürzer und kürzer werden. Die Sonne steigt ab 8 Uhr morgens herauf und geht bereits kurz nach 16 Uhr unter. Oft steht sie fahl und von Wolken oder Hochnebel verhangen am Himmel. Strahlende Sonnentage sind gezählt und werden gern für einen Spaziergang hinaus ins Freie genommen. Wie schön und das Gemüt erheiternd ist es da, wenn Schnee fällt und die Erde mit seinem reinen Weiß bedeckt. Sofort breitet sich da eine andere Stimmung aus, eine ganz besondere Art von Stille, gepaart mit einer inneren Fröhlichkeit.
Es ist erwiesen, dass Menschen, die regelmäßig hinaus ins Freie gehen, weniger abhängig in ihren Stimmungen vom Wetter und der Dunkelheit draußen sind, ja, diesen misslaunigen Neigungen und Äußerungen, die sie in sich verspüren sogar aktiv mit einem Spaziergang entgegenwirken können.
Egal also, was für ein Wetter gerade draußen ist, es tut uns gut und ist sehr empfehlenswert, immer einmal wieder auch bei nebeligem oder verregnetem Wetter hinaus in die Natur zu gehen und wahrzunehmen, wie sie sich einem zeigt und was das in einem bewirken kann. In Resonanz zur Natur gehen nennt man das, und dabei zunehmend bewusster wahrnehmen, was sich dabei in uns selbst zeigen mag. Dies kann man sich auch einmal für einen längeren Zeitraum vornehmen und so sowohl sich selbst als auch die Veränderungen in der Natur draußen übend erforschen: regelmäßig hinaus gehen, vielleicht sogar an einem schönen Naturplatz etwas länger verweilen und dort mit allen Sinnen wahrnehmen, was sich gerade zeigt und äußert.
Wintersonnwende – Wendepunkt im Jahreskreislauf
Ein besonderer Wendepunkt im Jahreskreislauf ist die Wintersonnwende am 21. Dezember. Diese Nacht vom 21. auf den 22. Dezember ist die längste Nacht im Jahreslauf. Danach werden die Tage wieder länger, die Sonne gewinnt zunehmend wieder an Kraft. Nichtsdestotrotz bleibt es noch lange dunkel draußen, und wenn uns gar der Schnee ausbleibt und uns nicht mit seiner strahlenden Decke das Gemüt erhellt, so kann es dem ein oder der anderen von uns oft auch noch im Januar im Gemüt dunkel und bange werden. Die dunklen Geister führen in dieser Zeit das Regiment. Draußen in der Natur erscheinen sie uns mit den Winterstürmen, rütteln an allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Sie erscheinen in unserem Innern in unseren Träumen und können uns ängstigen und peinigen.
Zeit der Unruhe-Geister in Märchen und in unseren Träumen
In den Märchen werden sie beim Namen genannt. Es sind Gestalten, die wir auch aus der Zeit der Raunächte gut kennen: Frau Holle, die wilde Jagd, Baba Yaga, ja gar der Teufel selbst und seine Gesellen kehren auf die Erde zu uns herauf und treiben dort und in den Lüften ihr Unwesen. Unsere Vorfahren haben sie noch deutlicher wahrgenommen als wir heute. Aus dieser Zeit stammt der Erzählstoff zahlreicher Märchen, Legenden und Sagen; sie erzeugen auch heute noch im Zuhörer oft genug ein Gruseln und Erschauern. Die Menschen rücken damals wie heute enger an Herd- und Lagerfeuern zusammen, zünden sich Kerzen oder machen Lichterketten an, um sich selbst und möglichst auch in der Gemeinschaft nicht nur äußerlich physisch, sondern v.a. innerlich zu wärmen und das Gemüt aufzuhellen.
Um Unruhegeister und ihr angstmachendes Treiben zu besänftigen und abzuwehren, haben die Menschen in allen Zeiten zahlreiche Rituale und Brauchtümer hervorgebracht. Da wird geräuchert, gebetet, gesungen oder gar mit Krach und Geschepper und in Tierfelle und Masken gekleidet die dunkle Zeit der Geister gewürdigt. Damit sollen diese Wesen uns gnädig gestimmt werden. In den Märchen wird davon erzählt: Frau Holle belohnt, Baba Yaga spendet neues Leben, der „wilde Mann oder Jäger“ spendet Segen – wie sich diese Wesen uns zeigen hängt dabei wesentlich von der Haltung des Menschen ihnen gegenüber ab. Aus diesem Grund haben sich zahlreiche Brauchtümer, spirituelle und religiöse Riten entwickelt.
Zeit des wiedergefundenen Lichts, Geburt der „inneren Sonne“
Zur Zeit der Wintersonnwende geht es in unseren geographischen Breiten um das Göttliche, das symbolisch mit der lebenspendenden Sonne gleichgesetzt wurde und wird; es wird immer dort, wo es ganz dunkel geworden ist, wieder geboren. Äußerlich danken und feiern die Menschen die alljährlich wiederkehrende Gnade, dass die Sonne in den kommenden Monaten wieder an Kraft gewinnen und damit neues Leben schenken wird. Für das inneres Wachstum und Seelenheil feiern wir in unserer christlich geprägten Kultur darum auch das Weihnachtsfest in dieser Zeit: Die Geburt der „inneren Sonne“ als immer wieder neu erlebte Gnade des Lebens, der Hoffnung und der Liebe, die sich in uns wohnlich einrichten und sich durch uns zum Wohle aller ausbreiten mögen.
Ich wünsche Dir eine gesegnete Wintersonnwende!
Herzlichst,
Elke Fischer-Wagemann