Vom inneren Vater und der Kraft des Männlichen

Christi Himmelfahrt und Vatertag fallen nicht zufällig zusammen. Lass uns gemeinsam tiefer schauen.

Das väterliche Prinzip – Gedanken zu Vatertag und Christi Himmelfahrt

In diesen Tagen feiern wir Christi Himmelfahrt – und zugleich begehen wir den Vatertag. Man könnte denken, das sei bloß ein symbolisches Gegengewicht zum Muttertag. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich eine tiefere Verbindung. Siehe vergleichend dazu auch meinen Blogartikel: Mütterlichkeit neu gedacht: Was Muttertag und Märchen gemeinsam haben

Christi Himmelfahrt feiert die Rückkehr des auferstandenen Jesus Christus zu seinem Vater im Himmel – zu Gottvater. Hier offenbart sich das väterliche Prinzip, und zugleich das Prinzip des Sohnes als ein Aspekt davon. Diese Archetypen finden sich in vielen spirituellen Traditionen und werden auch in der Psychologie, besonders durch C.G. Jung, beleuchtet: Vater Himmel und Mutter Erde stehen dabei als symbolische Gegensätze einander gegenüber.

Das väterliche Prinzip in der Tiefe verstehen

Wir alle tragen Vorstellungen davon in uns, was ein guter Vater ist – aus unserer Biografie, Kultur und inneren Sehnsucht heraus. Doch das väterliche Prinzip steht auch für etwas Universelles:

  • das Ordnende
  • das Strukturgebende
  • das Zielgerichtete und Gesetzgebende
  • das Grenzsetzende und Schützende

Es bringt Klarheit, Stabilität und Richtung. Es ist nicht autoritär im negativen Sinn, sondern verantwortungsvoll im besten Sinne. Es ist das, was Halt gibt, ohne zu ersticken oder – väterliche Macht missbrauchend – zu unterdrücken. Das väterliche Prinzip herrscht demnach im Sinne von Verantwortung und Schutz – nicht im Sinne von Machtgier. Im Unterschied zum Sohn, der im Christentum dem Menschen nähersteht, verkörpert es eine übergeordnete, archetypische Dimension. Der Archetyp des Vaters entspricht demnach dem Urbild des Gesetzes, der Führung und des Schutzes.

Ein Mantel voller Geborgenheit

In einer Zeit tiefer Einsamkeit und der Sehnsucht nach einem Partner kaufte ich mir einen Mantel. Als ich ihn anprobierte, geschah etwas Unerwartetes: Es überkam mich ein tiefes Gefühl der Geborgenheit – als würde mich eine männliche Umarmung von hinten umhüllen. Ich spürte zwei schützende Arme, Wärme, Schutz von meiner verletzlichsten Seite – dem Rücken. Dieses Erlebnis wurde für mich zu einer unmittelbaren Begegnung mit dem väterlichen Prinzip: beschützend, haltend, stärkend, tragend.

Mit dem Wanderstab aufrechter durch die Welt

Ein weiteres Erlebnis hatte ich in einer naturtherapeutischen Übung. Ich nahm einen Wanderstab zur Hand – und allein dadurch veränderte sich mein Gang: Ich ging aufrechter, zielgerichteter, fokussierter. Der Stab wurde für mich zum Symbol des väterlichen Prinzips.

In der Natur begegnete ich zunächst der nährenden Kraft der Erde – dem mütterlichen Prinzip. Doch dann wurde mir bewusst, wie sich das Väterliche in der Gestaltung der Landschaft zeigt: in den Feldern, den Wegen, der Architektur. Die Ordnung, die Klarheit – das war das väterliche Moment.

Die Kirche, die Madonna – und die Verneigung

Ich wanderte einem Dorf entgegen, betrat eine kleine Kirche, und dort stand ich vor einem Marienaltar: Die Madonna mit dem Jesuskind. Ich stand aufrecht, den Stab in der Hand – und verspürte tiefen Respekt und Demut.

In mir kam der klare Gedanke:

Das väterliche Prinzip verneigt sich vor dem mütterlichen.

Die verneigende Geste vor dem Marienbild war keine Unterordnung, sondern eine Form der Hingabe und Ehrfurcht. Das Väterliche als schützende äußere Hülle, das Mütterliche als gebärendes, schöpferisches Zentrum. Beides braucht einander, um Leben zu ermöglichen.

Dabei keimte eine Ahnung in mir auf, von was der biblische Text spricht, der da heißt:

„Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.“
Psalm 103,13

Übersetze ich „erbarmen“ in „sich sorgen um i.S.v. beschützen“ und „fürchten“ i.S.v. „Ehrfurcht und Hingabe“ ergibt sich daraus nämlich ein viel stimmigerer und sehr weisheitsvoller Satz:

Wie ein Vater seine Kinder schützt, so beschützt Gott-Vater diejenigen, die ihn in Ehrfurcht und mit Hingabe suchen.“

Eine Einladung zur inneren Reflexion

Diese Erfahrungen laden uns ein, zu fragen:

  • Wo wirkt das väterliche Prinzip in meinem Leben?
  • Wo das mütterliche?
  • Was ist gerade in mir präsent, was verkümmert?
  • Wie lebe ich – strukturiert oder nährend, kontrollierend oder empfangend?

Der Vatertag ist ein Anlass, sich dem inneren Vater zuzuwenden. Nicht nur als Erinnerung an unsere leiblichen Väter – sondern als Symbol für all das, was uns Halt, Richtung und Schutz gibt.

Archetypen in Märchen

In den Märchen ist das noch klar gezeichnet: männliche Figuren verkörpern das väterliche Prinzip, weibliche das mütterliche. Auch Helferfiguren – Tiere, Pflanzen, Wesen – sind diesem archetypischen Gefüge zugeordnet.

Ein Blick in die Märchenwelt eröffnet ein tieferes Verständnis davon, wie beide Kräfte miteinander agieren – mal im Konflikt, mal im harmonischen Tanz.

Zum Schluss

Ich wünsche uns allen einen besonderen Vatertag.
Einen Tag der Stille, der Rückschau, des Erkennens und vielleicht auch der Verneigung – vor dem, was uns Halt gibt. Und vor dem, was wir selbst an väterlicher Kraft in uns tragen und in die Welt bringen können.

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Nahaufnahme von Märchenexpertin Elke Fischer-Wagemann, wie sie mit einem blau gemusterten Schal vor einer gelblichen Mauer steht und in die Kamera lächelt.

Hallo, ich bin Elke Fischer-Wagemann

Als Märchen­pädagogin & Natur­therapeutin mache ich die Verbind­ung zwischen Märchen und Natur­erfahrungen erlebbar.

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